Surréalisme et machine

Die Verbindung zwischen Surrealismus und Maschine ist ebenso alt wie tiefgründig, sie existiert von Geburt an. Die Maschine ist an jeder Strassenecke gegenwärtig, bei Sades Ball gibt sie  zum Beispiel den Ton an.

Die Maschine ist fest mit uns verbunden und man muss sich wohl eines Tages dazu entschliessen, aufzuklären,was dieser Automat genau ist, der mit dem Automatismus einhergeht und woher diese mechanische, zügellose und zufällige Poesie kommt, die aus derselben Hypnose entstanden ist, welche dem Inneren von Delphi entsprungen ist, deren Eingebungen sich quer durch das Reale verbreiten, es durchdringen und sich darin verflechten…

Die Maschine als Filigran oder als Sinnbild all dieser kleinen Mechanismen, deren Hebel der Surrealismus in Bewegung setzt: Schnüre, die in den „Drei Kunststopf-Fäden“ bei Duchamp fallen; oder in Farbe getaucht, ihre Spuren auf der Leinwand von Ernst hinterlassen; oder auch die eindrucksvollen Lichtapparaturen von Man Ray, sowie „Objekte mit symbolischer Funktion“; oder… sogar unsere Spiele.

 

Die Verspottung des «tödlich Ernsthaften»

Die Maschine schliesslich als dieser rätselhafte Wetterhahn, den für mich „das Fahrradrad“ von Duchamp darstellt. Dieser einzigartige Punkt, von dem alle Wege ausgehen und sich wieder verlieren, die auf der einen Seite auf die „ready-mades“ als Subversion der Kunst und des Gebrauchs, und auf der anderen Seite zur Verspottung dieses „tödlich Ernsthaften*“ hinführen, das die Machine auf alles Menschliche wirft.

Wege, die schliesslich zum Versprechen hinführen, man könne die Technik überlisten, und zwar dort, wo sich die Vielfalt, die Dimensionen und die Zufälle der Perspektiven entwickeln könnten.

Bezogen auf all dies könnte man argwöhnen, das Eindringen des Computers in den surrealistischen Aktionsradius könne allerhand Konsequenzen haben. Aber welche?

 

Tempo, Sanftmut und Umkehrbarkeit

Es ist in erster Linie Sache der Geschwindigkeit. Die graphischen Werkzeuge vereinfachen die Ausführung radikal und erlauben eine permanente Verbindung zu den Quellen des Automatischen. Die verschiedenen Etappen der visuellen surrealistischen Aktivität – das Erscheinen von „etwas„, die Interpretation dessen, was erschienen ist und schliesslich das Bewußtwerden dessen, was der Geist wahrnehmen konnte –  verschmelzen zu einer einzigen Aktivität, in deren Zentrum sämtliche Geisteszustände und alle Übergänge der einzelnen Phasen erlaubt sind.

Schliesslich ist zu sagen, dass die Maschine von einer sanftmütigen Umkehrbarkeit ist. Sie erlaubt uns alles zu tun und es wieder ungeschehen zu machen, sie verzeiht alles, oder fast. Nicht nur die Irrtümer, sondern auch das Herumirren, das Abschweifen und Wiederfinden der Gedanken, das erneute Aufgreifen und die Zweifel.

 

Anhäufungen von Goldstaub

Und selbst wenn diese drei oben erwähnten Etappen auf einem mikroskopischen, kaum fühlbaren Niveau weiterwirken, bemächtigt sich der nunmehr ununterbrochene Fluss des Automatischen unaufhörlich aller Ergebnisse, entflammt sich daran jeden Augenblick von Neuem und schafft so neue Ausgangspunkte. Während dieses Prozesses lagert sich der Goldstaub ab. Das Bild enthüllt sich, es definiert sich zunehmend als eine Anhäufung automatischer Gedanken.

Das ist noch nicht alles. Wir haben schon immer insgeheim gespürt, dass die Maschinen bis zu einem gewissen Grad mit der Sprache verknüpft sind – ob bildlich oder textlich, egal. Jede Maschine hat einen bestimmten Zweck. Jede Maschine beinhaltet eine Vorhersage, von der es abhängt, ob sie funktioniert oder nicht. Und wahrhaftig ist das der ursprüngliche Weg, auf dem sich unsere Sprache in die Realität vorwagt. Der Wirkungsgrad einer Maschine war immer das Maß und der Beweis dessen, dass unsere Gedanken und Träume Teil der Wirklichkeit sind, der Beweis, dass sie zu dieser Welt gehören und darin eine gewisse Macht ausüben.

 

Konstruktion der Maschine, Autonomie der Welt

Aber das Spiel, das die Technik vorantreibt zeugt eher noch von dem Wunsch, als von der Notwendigkeit eines Dialogs. Ob es den Platonisten und anderen Befürwortern der Sklaverei passt oder nicht, eine Maschine zu konstruieren heisst nicht, irgendwelche Anweisungen zu geben, sondern in erster Linie der Realität eine Frage zu unterbreiten.

Und während er konstruiert, hält sich der Techniker jeglicher Arroganz fern, denn er weiss ganz genau, dass eine Maschine selten beim ersten Mal funktioniert. Aber der Realität eine Frage zu unterbreiten bedeutet, ein Orakel daraus zu machen. Es bedeutet also, bezogen auf die Antwort, die Autonomie der Welt zu akzeptieren und sich ihr schon im Voraus zu ergeben.

 

Die Würfel, die Karten, der Spiegel

Auf der andreren Seite hat es im Herzstück jeden Orakels immer den Teil eines Mechanismus gegeben, eine Art Wunsch, den Ursprung der Realität zu artikulieren, um das, was normalerweise schweigt, zum sprechen zu bringen. Aber da ist auch die Vorbereitung der Geste, durch die sich der Geist in schwindelerregender, befreiter Weise dem Anderen ergibt.

Alea jacta est. Die Würfel werfen, die Karten ziehen, den Regeln folgen, mischen und ordnen. Die Maschinen waren für uns schon immer Spiegel und Orakel.

Auf all dies weist uns der Computer ohne Umschweife hin. Keine Maschine war jemals so deutlich auf Sprache aufgebaut als diese. Nie war eine Maschine so sehr der göttlichen Macht des Orakels ergeben – worüber Programmierer, und alle, die mit ihr zu tun haben, lächeln, betrübt oder irritiert sind, weil sie wissen, was das wahre Herz aller Dinge ist. Der Computer ermöglicht durch schnellen Wechsel einen „flüssigen“ Dialog und darin liegt die Chance eines seltenen Gleichgewichts.

 

Hypnosis

Diejenigen,die einmal entschieden haben, auf der Höhe der Bilder zu leben* , werden immer das Herz haben, sich diesem Spiel hinzugeben. Sobald sich einmal die Dynamik der Phantasie entwickelt und etabliert hat, wird, gleichsam wie bei der Wechselwirkung in der Hypnose, jede Eingebung des Träumenden durch eine Eingebung der Maschine beantwortet.

Und dann hat uns der Computer einen neuen Raum eröffnet. Einen Raum dazwischen, der weder real noch irreal ist, durchwoben von Metaphern, Hypothesen, Bildern und Kalkül. Einen Raum, in dem Möglichkeiten, Verträglichkeiten und Zusammenhänge auf dem Spiel stehen. Und sobald Traum und Automatismus in diesen Raum abgleiten, sich losreissen und wieder darin verankern, verschmelzen sie mit ihm und stellen sich selbst unter Beweis. So machen sie Schluss mit diesem falschen Gegensatz zwischen Geist und Realität.

 

Kommunizierende Vasen

Dass wir uns nicht täuschen… Es handelt sich nicht nur um den Effekt einer Art Macht des Virtuellen. Was diesen speziellen Punkt betrifft, wenn nicht wir die notwendigen Schritte unternehmen, wird das Virtuelle niemals etwas anderes sein, als mathematisierter Realismus. Nicht nur, weil der Traum per Simulation nunmehr die Gewalt über die Realität hat, sondern auch, weil nun der Traum im selben Licht und auf der selben Ebene erscheint wie die Realität selbst.

Man kann in das geöffnete Fenster eines Scanners werfen, was man will: Federn, Blätter, Spitzen…es ist wie ein Abgrund, der alles verschlingt. Was da hineinfällt, kann miteinander verschmelzen, es repräsentiert plötzlich nicht mehr nur ein Objekt oder eines der Bindeglieder eines Bildes, wie in der Collage, sondern es kann Raster, Struktur, Farbe, Textur, ja sogar das Material selbst sein, mit dem man malt. Im Zentrum dieses intermediären Raumes wird diese Bewegung, der Wechsel zwischen Denken am Tag und Denken in der Nacht sichtbar, wie es schon in den „Kommunizierenden Vasen“ zu sehen war.

 

Raum der Umstürze

Was wir das Virtuelle nennen, ist, historisch wie technisch betrachtet, in Wirklichkeit nichts anderes als das in Erscheinung-Treten der Kultur, jenes bis jetzt sorgfältig von der Öffentlichkeit ferngehaltenen Ortes, an dem die Industriegesellschaft ihre Projekte und Pläne ausarbeitet.

Der intermediäre Raum ist also der Raum möglicher Umstürze*. Man kann sich vorstellen, was in Zukunft aus dieser „Macht der Ausdrucksweise*“ werden wird, von der Breton eines Tages sagte, dass sie den Zustand der Welt bestimmt, wenn es dem Surrealismus gelingt, sich darin zu etablieren.

 

Anmerkungen

* tödlich Ernsthaften
„Menschen,die im Maschinenzeitalter leben werden natürlich, bewusst oder unbewusst, von der Zeit beinflusst, in der sie leben. Ich denke,dass ich mir dessen ausreichend bewusst war, als ich den Spott in diese sacro-sancte Ära einführte. Der Humor und das Lachen-nicht unbedingt die Schadenfreude – sind meine bevorzugten Werkzeuge “ – Marcel Duchamp in „La mariée mise à nu chez Marcel Duchamp même“ Arturo Schwarz – P29.

* auf der Höhe der Bilder leben
Ich meine damit diejenigen, die entschieden haben, nicht unter ihnen zu leben, sich ihnen nicht zu unterwerfen oder sich von ihnen missbrauchen zu lassen.

* der Raum möglicher Umstürze
„möglich“ bedeuted hier mit Sicherheit nicht tatsächlich. Dennoch steht „möglich“ als Vor-Erfordernis von tatsächlich.

* Macht der Ausdrucksweise
„Könnte es nicht sein,dass der derzeitige Zustand der Welt etwas mit der Schwäche der acht unserer Ausdrucksweise zu tun hat ?“